27.09.2014 05:06 Alter: 144 days

In den letzten Wochen mehrten sich die Zeitungsmeldungen über Fischsterben unterschiedlichen Ausmaßes an verschiedenen Flüssen unseres Alpenvorlandes. Da stellen sich dem Leser natürlich ein paar Fragen: Sind diese Phänomene natürlich? Hat’s das schon immer gegeben? Kommen Fischsterben heutzutage häufiger vor? Hat der Mensch da seine Finger im Spiel?

Nun, die Ursachen und Hintergründe der einzelnen „Katastrophen“ mögen unterschiedlich sein, einige allgemeine Gründe für das Auftreten von Fischsterben sind für Gewässerbiologen aber offensichtlich:

Unsere heimischen Fische der Ober- und Mittelläufe (beispielsweise Bachforellen, Äschen, Koppen) müssen immer wieder mit Stresssituationen zurechtkommen. Hochwässer, Niederwasserperioden mit erhöhten Wassertemperaturen und andere Extremereignisse spielen allerdings im „natürlichen“ Umfeld unbeeinflusster Flusslandschaften ein deutlich weniger drastische Rolle. Die Wassertiere können ausweichen, flussab oder flussauf wandern und so diese gefährlichen Faktoren (hohe Strömung, Sauerstoffzehrung, etc.) meiden. Am Beispiel der Ybbs lassen sich die Veränderungen des Flusses recht gut in Zusammenhang mit der erhöhten Anfälligkeit für das Auftreten von „extremen“ Verhältnissen bringen. Gerade im Mittellauf zwischen Ybbsitz und Amstetten bilden zahlreiche Wehranlagen eine Abfolge von mehr oder weniger langen Zonen mit stehendem Wasser. Die längere Verweilzeit des Ybbswassers in diesen „Badewannen“ lässt die Temperatur von Stau zu Stau kontinuierlich ansteigen. Die Uferbereiche stellen dabei optimale Lebensräume für Algen dar. Diese produzieren zwar am Tag bei Sonnenlicht und hohen Wassertemperaturen Sauerstoff. In der Nacht allerdings setzen Sauerstoff zehrende Prozesse ein und das Milieu wird lebensfeindlich. Gerade in Restwasserstrecken, wo das Wasser für Kraftwerksanlagen von der Ybbs weggeleitet wird, sind diese Algenteppiche im flacheren Wasser nicht zu übersehen. Dort fehlt zudem die nötige Strömung, um frisches Wasser nachzuliefern.

Üblicherweise fangen Fische, wenn’s „eng“ wird, an, ihre Standorte zu wechseln. Sie suchen Bereiche von Zubringerbächen und Quellaustritten mit kühlem Wasser auf. Leider sind ihnen diese Wanderwege nur zu oft durch Kraftwerke abgeschnitten.

Zum Wassertemperaturanstieg gibt es an der Ybbs eine gute Möglichkeit zum Selbstversuch: Fahren Sie an einem schönen Sommertag an die herrliche Schluchtstrecke der Ybbs flussauf von Ybbsitz (z.B. im Bereich des sogenannten Amtmannes). Wenn Sie hartgesotten sind, schaffen Sie es tiefer als bis zu den Knien ins Wasser. Das kalte Nass und die bezaubernde Landschaft werden sie begeistern. Anschließend packen Sie ihre sieben Badesachen und „übersiedeln“ an die Ybbs nach Greinsfurth. Mit der selben Ehrfurcht vor tiefen Wassertemperaturen werden Sie bald überrascht sein, wie angenehm warm die Ybbsfluten hier zum Baden sind. Keine 30 Kilometer und 14 Wehranlagen verstärken den (natürlichen) Temperaturanstieg in einem Flussverlauf enorm.

Wenn wir weiterhin unsere Flüsse in Korsette zwängen und nur als Stromlieferanten betrachten, schaut die Zukunft schlecht aus. Wissenschafter weisen eindringlich darauf hin, dass der Klimawandel auch unsere Flüsse beeinflussen wird: die Wassertemperaturen werden weiter steigen …

Stefan Guttmann
Gewässerbiologe