Schwere Vorwürfe zu Ferschnitzer Kraftwerksbau von EU-Umweltkommissar, EU kritisiert naturschutzrechtliches Verfahren


Gutachten sind für die Ybbs schon viele erstellt worden. Für die EU-Beschwerde beauftragte der Österreichische Fischereiverband sowie Fischereivereine gemeinsam mit „WWF“, „Pro Ybbs“ und dem Verein „Rettet die Ybbsäsche“ den unabhängigen Naturschutz-Experten Jürgen Trautner aus Deutschland, der sich ausgiebig dem geplanten Wasserkraftwerk „Hohe Brücke“ an der Ybbs widmete. Nun reagierte EU-Umweltkommissar Janez Potocnik in einem Schreiben an Außenminister Sebastian Kurz. Die Naturschutzverträglichkeitsprüfung des Landes weist „erhebliche Mängel“ auf, auch ein „Verstoß gegen die Richtlinie“ liegt vor.

Das umstrittene Kraftwerksgelände ist österreichweit eines der zwei wichtigsten Gebiete für den Erhalt des Huchens. So wurde auf der Webseite der NÖ Landesregierung ganz besonders auf die Bedeutung dieses Gebiets hingewiesen: „Der Huchen stellt in diesem Gebiet ein höchstrangiges Erhaltungsziel dar“. Österreich verpflichtete sich nicht nur zu einer bloßen Beibehaltung des Lebensraums, sondern zusätzlich zu verbessernden Maßnahmen.

In ihrem Schreiben an die Republik findet die Kommission klare Worte, sie ist der Auffassung, dass diese Ziele zur Verbesserung nicht berücksichtigt worden sind, sondern lediglich der Ist-Zustand, somit würde eine Verbesserung durch den Bau eines Kraftwerks verhindert werden.

Auch die Interpretation der Huchen-Todesrate, hervorgerufen durch den Kraftwerksbau ist von der EU-Kommission kritisiert worden.

Der naturschutzrechtliche Bewilligungsbescheid vermittelt den Eindruck, dass die Gesamtsterblichkeit der Huchen mit 2,57 % unerheblich sei. Die Kommission rechnet jedoch den Prozentsatz bis zum Erreichen des fortpflanzungsfähigen Alters der Huchen hoch und kommt zu einer Reduktion von 37,4 %.

Bei der Einschätzung der Auswirkungen eines Kraftwerks wurde speziell das Gutachten von Dr. Spindler, das übrigens von der EVN finanziert wurde, beanstandet. Er sei von einem „best-case-szenario“ ausgegangen, und habe „das Vorhaben samt seinen umfangreichen Ausgleichsmaßnahmen möglichst optimal dargestellt“. Die Unsicherheit über die tatsächlichen Auswirkungen auf die Natur hätte zu Ungunsten des Projekts ausgelegt werden müssen.

Die Kommission ist folglich der Auffassung, dass Österreich seinen Verpflichtungen zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen nicht nachgekommen ist, als sie im Rahmen des Naturschutzbehördlichen Verfahrens die Bewilligung zur Errichtung und zum Betrieb des Wasserkraftwerks „Ferschnitz“ erteilte.

Weiters bestätigt die Kommission, dass weitere lebensraumverbessernde Maßnahmen an der Ybbs notwendig sind.

Stefan Guttmann, Obmann des Vereins „Rettet die Ybbsäsche“ sieht seine Bedenken bestätigt: „Die von uns immer fachlich geäußerte Kritik am Projekt wird von der EU geteilt. Nun sollte einer Fortsetzung des so erfolgreichen LIFE-Projekts nichts mehr im Weg stehen!“.

Von: Christa Hochpöchler